Frage:

Ist es erlaubt, eine Hatm (einmaliges komplettes Lesen des gesamten Qurans) im Namen meiner Eltern zu machen, da sie Analphabeten sind? Ist es erlaubt, eine Hatm für eine gebildete Person zu machen, der ich diese Hatm als Geschenk geben möchte? Ist es erlaubt, die Hatm für mehr als eine Person zu widmen?

Antwort:

Es gibt weder im Quran noch in der Sunnah (alles, was vom Propheten berichtet wird) einen Hinweis darauf, dass der Gesandte Allahs (Friede sei mit ihm) oder die Sahabah (Gefährten des Propheten) irgendeinen Beweis für die Zulässigkeit erbracht haben, die Rezitation des glorreichen Qurans den Eltern oder jemand anderem zu schenken. Die Rezitation des glorreichen Qurans ist dazu bestimmt, davon zu profitieren und über seine Bedeutungen nachzudenken und danach zu handeln.

Allah (Erhaben ist Er) sagt:

﴿ كِتَابٌ أَنزَلْنَاهُ إِلَيْكَ مُبَارَكٌ لِّيَدَّبَّرُوا آيَاتِهِ وَلِيَتَذَكَّرَ أُولُو الْأَلْبَابِ ﴾

"(Dies ist) ein Buch (der Quran), das Wir dir herabgesandt haben, voller Segen, damit sie über seine Verse nachdenken, und damit Männer des Verstandes sich erinnern."  [Surah Sad, 38:29] Und:

﴿ إِنَّ هَٰذَا الْقُرْآنَ يَهْدِي لِلَّتِي هِيَ أَقْوَمُ ﴾

"Wahrlich, dieser Quran führt zu dem, was gerechter und richtiger ist." [Surah al-Isra, 17:9] Und: Sag:

﴿ قُلْ هُوَ لِلَّذِينَ آمَنُوا هُدًى وَشِفَاءٌ ﴾

„Er ist für die Gläubigen eine Führung und Heilung." [Surah Fussilat 41:44]

Der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte:

﴿ اقرءوا القرآن فإنه يأتي شفيعا لأصحابه يوم القيامة ﴾ 

"Lest den Quran, denn er wird am Tag der Auferstehung als Fürsprecher für seine Gefährten kommen." [1] Und:

﴿ إنه يؤتى بالقرآن يوم القيامة وأهله الذين يعملون به تقدمه سورة البقرة وآل عمران تحاجان عن أصحابهما ﴾ 

Der Quran wird am Tag der Auferstehung zusammen mit seinen Menschen, die danach gehandelt haben, hergebracht, angeführt von den Suren Al-Baqarah und Al-'Imran, wie zwei Wolken oder zwei schwarze Schatten mit Licht dazwischen, oder wie zwei Schwärme von Vögeln, die ihre Flügel ausbreiten und sich für ihre Gefährten einsetzen." [2]

Die Bedeutung ist, dass der glorreiche Quran herabgesandt wurde, um danach zu handeln und über ihn nachzudenken und ihn als eine Form der Anbetung Allahs zu rezitieren, anstatt ihn den Toten oder anderen zu präsentieren. Ich kenne keine zuverlässige rechtliche Grundlage in der Scharia über das Rezitieren des glorreichen Qurans und das Schenken an die Eltern. Der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte:

﴿ من عمل عملا ليس عليه أمرنا فهو رد ﴾ 

"Wer eine Handlung ausführt, die nicht in Übereinstimmung mit dieser Angelegenheit von uns (Islam) ist, wird abgelehnt werden." [3]

Einige Gelehrte befürworteten die Zulässigkeit dieser Handlung und sagten: "Es gibt kein Problem, die Belohnung für das Rezitieren des glorreichen Qurans oder andere rechtschaffene Taten zu schenken." Sie machten Qiyas (Analogie) mit der Zahlung von Sadaqah (freiwillige Wohltätigkeit) und Du'a' (Bittgebet) und so weiter. Die korrekte Meinung ist jedoch die erste, basierend auf dem oben genannten Hadith. Wäre das Schenken der Rezitation des glorreichen Qurans erlaubt gewesen, hätten es die Salaf (rechtschaffene Vorfahren) getan. Qiyas sollte nicht bei 'Ibadah (Gottesdienst) gezogen werden, denn es ist Tawqifiy (durch religiösen Text gebunden und nicht für persönliche Meinungen zugänglich) und wird nur durch den Nas (islamischer Text aus dem Quran oder der Sunnah) etabliert. Was Sadaqah im Namen der Toten, das Bitten Allahs für sie, das Ausführen von Hadsch oder 'Umrah (kleinere Pilgerfahrt) im Namen eines anderen durch jemanden, der sie zuerst für sich selbst vollzogen hat, und das Nachholen des verpassten Sawm im Namen der Toten betrifft, so sind alle diese Taten durch Sahih (authentische) Hadithe belegt, die vom Gesandten Allahs (Friede sei mit ihm) berichtet wurden.

Möge Allah uns Erfolg gewähren.

Schaykh Abdulaziz bin Baz, rahimahullah

Quelle: Majmu’ al-Fatawa Ibn Baz, Teil 5, Seite 362. Übersetzung: Abu Davut Konyevi

[1] Sahih Muslim, Gebet der Reisenden und dessen Kürzung (804), Musnad Ahmad ibn Hanbal (5/255).
[2] Sahih Muslim, Gebet der Reisenden und dessen Kürzung (805), Sunan at-Tirmidhi, Vorzüge des Korans (2883), Musnad Ahmad ibn Hanbal (4/183).
[3] Sahih Muslim, Die Urteile (1718), Musnad Ahmad ibn Hanbal (6/256).


Frage:

Erreicht das Verdienst des Rezitierens des Qur'ans die Verstorbenen? Was sind die Formulierungen des Hadith, in dem eine Person den Gesandten Allahs (Friede sei auf ihm) nach seiner Pflicht gegenüber seinen Eltern nach ihrem Tod fragt?


Antwort:

Es gibt keinen Beweis dafür, dass das Rezitieren des Qur'ans im Namen der Verstorbenen Mustahab (wünschenswert) ist. Es ist besser, solch eine Handlung zu unterlassen und sich an die Lehren der Schari'a zu halten, wie für die Verstorbenen zu beten, Sadaqah (freiwillige Almosen) zu zahlen oder Hajj oder `Umrah in ihrem Namen durchzuführen, ihre Schulden zu begleichen oder alles andere, was in der gereinigten Schari'a bestätigt wurde, denn dies wird ihnen zugutekommen.

Der Hadith, nach dem du fragst, lautet: Ein Mann näherte sich dem Propheten (Friede sei auf ihm) und fragte: „O Gesandter Allahs! Gibt es irgendetwas, das ich in Bezug auf die Güte gegenüber meinen Eltern nach ihrem Tod tun muss?“ Der Prophet antwortete:

{ نعم الصلاة عليهما والاستغفار لهما وإنفاذ عهدهما من بعدهما وإكرام صديقهما وصلة الرحم التي لا توصل إلا بهما }

„Ja, für sie beten und Allah um Vergebung für sie bitten, ihre Versprechen erfüllen, ihre Freunde respektieren und ihre Verwandtschaftsbande pflegen.“ [1]

Der Prophet (Friede sei auf ihm) sagt auch:

{ إذا مات ابن آدم انقطع عمله إلا من ثلاث صدقة جارية أو علم ينتفع به أو ولد صالح يدعوا له }

„Wenn ein Sohn Adams stirbt, wird er von seinen Taten abgeschnitten, außer von drei Dingen: Sadaqah Jariyah (fortlaufende Wohltätigkeit), gutes Wissen, das jemandem nutzt, und ein gutes Kind, das Du'a (Bittgebet) für ihn macht.“ [2]

Es ist auch in den beiden Sahih (authentischen) Büchern der Hadithe (d.h. Al-Bukhari und Muslim) aufgezeichnet, dass ein Mann dem Propheten (Friede sei auf ihm) sagte:

{ يا رسول الله إن أمي ماتت ولم توص وأظنها لو تكلمت تصدقت أفلها أجر إن تصدقت عنها }

„O Gesandter Allahs! Meine Mutter ist verstorben und hat kein Testament hinterlassen. Ich denke, wenn sie hätte sprechen können, hätte sie Almosen gegeben. Wird sie eine Belohnung erhalten, wenn ich in ihrem Namen Almosen gebe?“ Der Gesandte antwortete: „Ja.“ [3]

Schaykh Abdulaziz bin Baz, rahimahullah

Quelle: Majmu’ al-Fatawa Ibn Baz, Teil 7, Seite 183. Übersetzung: Abu Davut Konyevi


[1] Sunan Abu Dawud, Der Adab (Moral) 5142, Sunan Ibn Majah, Der Adab (Moral) 3664.
[2] Sahih Muslim, Das Testament 1631, Sunan at-Tirmidhi, Die Urteile 1376, Sunan an-Nasa'i, Das Testament 3651, Sunan Abu Dawud, Das Testament 2880, Musnad Ahmad ibn Hanbal 2/372, Sunan ad-Darimi, Die Einleitung 559.
[3] Sahih al-Bukhari, Die Beerdigungen 1388, Sahih Muslim, Die Zakat (Almosensteuer) 1004, Sunan an-Nasa'i, Das Testament 3649, Sunan Abu Dawud, Das Testament 2881, Sunan Ibn Majah, Das Testament 2717, Musnad Ahmad ibn Hanbal 6/51, Muwatta Malik, Die Urteile 1490.