Definition und Urteil der Brautgabe (Mahr/Sadaaq)

Juristisch gesehen bezieht sich das Wort „Mahr“ (Brautgabe) auf eine Art Entschädigung, welche im Ehevertrag oder nach dessen Abschluss spezifiziert wird und sie muss vom Ehemann bezahlt werden.
Was ihr Urteil betrifft, so ist sie gemäß dem Qur’aan, der Sunnah und dem Konsens der Gelehrten Pflicht.

{وَآتُوا النِّسَاءَ صَدُقَاتِهِنَّ نِحْلَةً ۚ فَإِن طِبْنَ لَكُمْ عَن شَيْءٍ مِّنْهُ نَفْسًا فَكُلُوهُ هَنِيئًا مَّرِيئًا}

„Und gebt den Frauen ihre Morgengabe als Geschenk. Wenn sie für euch aber freiwillig auf etwas davon verzichten, dann verzehrt es als wohlbekömmlich und zuträglich.“ (Surah An-Nisaa‘ 4:4)

Überdies hat der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) während seiner Lebenszeit niemals eine Ehe ohne Brautgabe vollziehen lassen.


Die Höhe der Brautgabe

Was die rechtliche Höhe der Mahr betrifft, so hat sie kein bestimmtes Minimum oder Maximum. Jedoch sollten wir dem Beispiel des Propheten (salla Allahu alahi wa sallam) folgen, welcher seinen Ehefrauen jeweils einen Betrag von 400 Dirham reinem Silber (1 Dirham Silber entspricht 3g Silber) zahlte und dies war auch die Brautgabe, die seine Töchter erhielten.

Scheikh-ul-Islam Ibn Taymiyyah sagte: „Eine hohe Mahr zu geben, ist nicht unerwünscht, solange der Bräutigam sich diese leisten kann, es sei denn ein großer Betrag der Mahr wird aus unerwünschten Gründen gezahlt, wie um damit anzugeben, und zu prahlen und dergleichen. Wenn jedoch der Bräutigam nicht in der Lage ist, eine hohe Mahr zu zahlen, ist es unerwünscht, sie anzubieten. Überdies wird solch eine Angelegenheit als verboten angesehen, wenn die Mahr nicht anders als durch Betteln und andere verbotene Weisen erlangt werden kann. Wenn die Brautgabe sehr hoch ist und ihre Zahlung deshalb aufgeschoben wird, sollte dies als unerwünscht angesehen werden, wegen der Beschwernis, die dem Bräutigam auferlegt wird und der Schuld, mit der er dann belastet wird.“ (Al-Ikhtiyarat Al-Fiqhiyyah, S. 327)

Demzufolge ist jede Übertreibung, Extravaganz und Übermäßigkeit in Bezug auf die Mahr und andere Heiratskosten wie teure Kleidung, Schmuck, das Halten von teuren und ausschweifenden Hochzeitsfesten, Banketts usw. unerwünscht, wenn nicht sogar verboten, weil sie Verschwendung beinhalten und ohne Nutzen für die Ehepartner sind.

Anmerkung: siehe auch: Es gibt keine bestimmte Grenze für die Mahr (Brautgabe)

 

Die rechtliche Absicht hinter der Legalität der Mahr

ist die, dass sie eine Entschädigung für die Frau darstellt, im Austausch für ihre sexuelle Zur-Verfügung-Stellung. Zudem ist sie ein Zeichen der Ehre, die der Frau entgegen gebracht wird, um zu zeigen, dass sie von ihrem Ehemann respektiert und hoch angesehen wird.
Es ist erwünscht, den Betrag der Mahr im Ehevertrag festzuhalten, um jeden möglichen Disput hinterher zu vermeiden.

 

Einige wichtige Punkte bezüglich der Brautgabe

Erstens: Die Brautgabe gehört der Ehefrau und ihr Vormund hat kein Recht, sie zu beanspruchen, außer dem, was sie freiwillig hergibt.

Zweitens: Die Anfangsphase ihres Besitzes (der Mahr) beginnt mit dem Abschluss des Ehevertrages, so wie es auch beim Verkaufen der Fall ist. Jedoch gelangt die Braut erst dann in den vollen Besitz der Mahr, wenn der Ehemann mit ihr den sexuellen Beischlaf vollzogen hat, oder wenn er mit ihr allein war oder durch den Tod von einem der Beiden.

Drittens: Wenn der Ehemann die Frau vor dem Konsumieren (Geschlechtsverkehr) der Ehe scheidet oder vor dem Alleinsein mit ihr und wenn er eine bestimmte Mahr für sie spezifiziert hat, dann hat sie das Recht auf die Hälfte davon. Dies deshalb, weil Allah sagt:
{جُنَاحَ عَلَيْكُمْ إِن طَلَّقْتُمُ النِّسَاءَ مَا لَمْ تَمَسُّوهُنَّ أَوْ تَفْرِضُوا لَهُنَّ فَرِيضَةً}

„Aber wenn ihr euch von ihnen scheidet, bevor ihr sie berührt und euch ihnen gegenüber schon (zu einer Morgengabe) verpflichtet habt, dann (händigt) die Hälfte dessen (aus), wozu ihr euch verpflichtet habt“ (Surah Al-Baqarah 2:237)

Viertens: Alles, was der Vater der Braut oder ihr Bruder vom Ehemann (als Geschenk) entgegen genommen haben, wie Kleider und dergleichen, wird als Teil der Mahr angesehen.

Fünftens: Wenn die Brautgabe vom Ehemann durch Haram-Weise erworben wurde, so ist die Heirat trotzdem gültig. Jedoch muss stattdessen eine vernünftige Halal-Art der Brautgabe gegeben werden.

Sechstens: Wenn der Ehevertrag ohne Angabe einer Mahr für die Frau abgeschlossen wurde, so ist die Heirat trotzdem gültig und sie wird Tawfid-Heirat genannt (Heirat, in der keine Brautgabe spezifiziert wurde). Jedoch muss eine Brautgabe, wie sie üblicherweise einer Frau von ihrem Stand gegeben wird, veranschlagt werden und ihr gegeben werden. Denn Allah sagt:
{لَّا جُنَاحَ عَلَيْكُمْ إِن طَلَّقْتُمُ النِّسَاءَ مَا لَمْ تَمَسُّوهُنَّ أَوْ تَفْرِضُوا لَهُنَّ فَرِيضَةً ۚ وَمَتِّعُوهُنَّ عَلَى الْمُوسِعِ}

„Es ist für euch keine Sünde darin, wenn ihr euch von Frauen scheidet, solange ihr sie noch nicht berührt oder euch ihnen gegenüber (zu einer Morgengabe) verpflichtet habt. Doch gewährt ihnen eine Abfindung“ (Surah Al-Baqarah 2:236)

(Masruq sagte über die Autorität von 'Abdullah ibn Mas'uud:) als 'Abdullah (ibn Mas’uud, radiya-llahu anhu) über das Urteil bezüglich eines Mannes gefragt wurde, welcher eine Frau geheiratet und keine Brautgabe für sie spezifiziert hatte und vor seinem Tod keinen sexuellen Verkehr mit ihr vollzogen hatte, sagte er:

{لَهَا الصَّدَاقُ كَامِلاً وَعَلَيْهَا الْعِدَّةُ وَلَهَا الْمِيرَاثُ.‏ فَقَالَ: مَعْقِلُ بْنُ سِنَانٍ سَمِعْتُ رَسُولَ اللَّهِ صلى الله عليه وسلم قَضَى بِهِ فِي بِرْوَعَ بِنْتِ وَاشِقٍ‏.‏}

„Sie bekommt die vollständige Brautgabe (wie sie eine Frau ihres Standes erhält). Und sie muss ihre ‘Iddah einhalten, und sie erhält (ihren Anteil an) Erbschaft.“ Sie sagten: 'Ma’qil Ibn Sinaan hörte den Gesandte Allahs (sallallahu alayhi wa sallam) im Fall von Birwa' Bint Waaschiq (eben)so urteilen.'“ (Abu Dawud 2114, 2/406)

Wenn jedoch die Frau die Trennung initiiert hat und diese vor dem Konsumieren der Heirat stattfindet, dann hat sie kein Recht auf die Brautgabe. Dies ist ebenso der Fall, wenn die Frau aufgrund eines Defektes beim Mann die Ehe annullieren lässt, dann hat sie kein Recht die Brautgabe zu verlangen.

Siebtens: Vor dem Vollzug der Ehe hat die Ehefrau das Recht, den sexuellen Verkehr solange zu verweigern, bis sie ihre komplette Brautgabe erhalten hat.


Schaykh Saalih Al-Fawzaan, hafidhahullah

Auszugsweise entnommen aus „A Summary of Islamic Jurisprudence“, Band 2 von Schaykh Dr. Saalih al-Fawzaan, Kapitel 9 Mahr, S. 395 - 401