Frage an Islam Fatwa

Wie wird der Boykott als Strategie im Rahmen des islamischen Handelns betrachtet, insbesondere wenn es darum geht, wirtschaftlichen Druck auszuüben, um soziale oder politische Veränderungen herbeizuführen? Man hört immer wieder widersprüchliche Aussagen von Geschwistern, wobei einige behaupten, dass es haram sei und ausschließlich unter der Führung des muslimischen Herrschers ausgeübt werden darf, während andere wiederum zum Boykott aufrufen und es sogar für Muslime als verpflichtend erklären.

Welches ist das korrekte Verständnis in dieser Angelegenheit und wie lauten die islamischen Regelungen zum Boykott?

1. Der Boykott ist eine Form des Jihad

Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte:

﴿ جَاهِدُوا الْمُشْرِكِينَ بِأَمْوَالِكُمْ وَأَنْفُسِكُمْ وَأَلْسِنَتِكُمْ ﴾

 "Bekämpft die Muschrikun mit eurem Vermögen, euch selbst und euren Zungen (Worten)." [Überliefert von Abu Dawud Nr. 2504, als sahih authentifiziert von Al-Albani in Sahih Abu Dawud.]

Schaykh Abdurrahman As-Saadi sagte:

Eine der größten und nützlichsten Formen des Jihad ist das Bestreben, die Wirtschaft der Muslime zu erleichtern, ihne Grundnahrungsmittel und Genussmittel auszuweiten, sowie ihre Gewinne, Handel, Geschäfte und Arbeitskräfte zu erweitern.

Ebenso ist einer der nützlichsten und größten (Formen des) Jihad das Boykottieren der Feinde im Export und Import, sodass ihre Importe und Handel nicht erlaubt werden und den Märkten der Muslime nicht zugänglich gemacht werden. Stattdessen sollten Muslime auf die Produkte aus ihren eigenen Ländern zurückgreifen und nur das importieren, was sie aus friedlichen Ländern benötigen. (D.h. Länder, die sich nicht im Krieg und Feindseligkeit mit den muslimischen Ländern befinden.) Ebenso sollte man ihnen keine Produkte oder Waren aus muslimischen Ländern exportieren, insbesondere solche, die die Feinde stärken: wie Erdöl. Der Export solcher Produkte zu unterbinden, ist notwendig.

Wie könnte man ihnen Produkte aus muslimischen Ländern exportieren, die sie nutzen würden, um gegen uns zu kämpfen? Der Export solcher Güter zu den Aggressoren ist sehr schädlich und deren Verbot ist eine der größten Formen des Jihad und sehr nützlich.

Der Jihad gegen die Feinde durch den vollständigen Boykott ist einer der größten Formen des Jihad in heutigen Zeiten.

Für die muslimischen Könige und Führer - alhamdulillah - gibt es in dieser Hinsicht große Möglichkeiten und Vorteile, und Allah hat ihnen durch diesen Boykott großen Nutzen gebracht. Dies hat die Feinde geschädigt und ihre Wirtschaft beeinträchtigt, sodass sie gezwungen sind, den Muslimen viele Rechte zu gewähren, die sie ohne diesen Boykott verweigert hätten. Und Allah hat dadurch die Würde und Ehre der Muslime bewahrt.

Eines der größten Verrate und deutlichsten Feindseligkeiten gegenüber den Muslimen ist das Schmuggeln von Geld, Waren oder Produkten in die Länder der Feinde. Von Personen, die von Gier und Habsucht getrieben sind, denen die Religion, die Ehre der Muslime und das Stärken der Feinde gleichgültig ist. Dies ist eine der größten Vergehen und schlimmsten Verrate, und derjenige, der dies tut, hat bei Allah keinen Anteil oder Wert. Es ist die Pflicht der Obrigkeiten, diese Verräter zu bestrafen und mit ihnen hart umzugehen, denn sie haben den Feinden des Islams offensichtlich geholfen und den Muslimen geschadet, während sie ihren ungläubigen Feinden genützt haben. Diese sind Unheilstifter auf der Erde und verdienen die schwersten Strafen.

Die Bedeutung ist, dass der Boykott der Feinde in Wirtschaft, Handel und anderen Angelegenheiten eine der wichtigsten Säulen des Jihad ist und sowohl friedlichen als auch militärischen Jihad umfasst.

Möge Allah die Muslime zu allem Guten führen, ihre Worte vereinen und ihre Herzen in Liebe und Unterstützung zueinander bringen. Möge er sie mit seiner Hilfe und seinem Erfolg unterstützen, denn er ist großzügig, gütig, mitfühlend und barmherzig.

Scheich Abdulrahman as-Saadi, rahimahullah
Quelle: In einer seiner Predigten, verzeichnet im Buch "Majmu' Khutbah", Seite 107 (عربي)


2. Handel mit den Kuffar, die mit dem Islam im Krieg sind

Berichtet in Sahih Bukhari, Kapitel: "Kauf und Verkauf mit den Muschrikun und Leuten, die mit dem Islam im Krieg sind" (Nr. 2216):

Abd al-Rahmaan ibn Abi Bakr (radiyallahu anh) sagte:

﴿ كُنَّا مَعَ النَّبِيِّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ثُمَّ جَاءَ رَجُلٌ مُشْرِكٌ مُشْعَانٌّ طَوِيلٌ بِغَنَمٍ يَسُوقُهَا فَقَالَ النَّبِيُّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ بَيْعًا أَمْ عَطِيَّةً أَوْ قَالَ أَمْ هِبَةً قَالَ لَا بَلْ بَيْعٌ فَاشْتَرَى مِنْهُ شَاةً ﴾

"Wir waren beim Propheten (sallallahu alayhi wa sallam), als ein großer, haarloser Muschrik mit einigen Schafen kam, die er trieb. Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: 'Sind sie zu verkaufen oder ein Geschenk?' Er antwortete: 'Nein, zum Verkauf.' Also kaufte er ein Schaf von ihm."

Al-Nawawi (rahimahullah) sagte als Erklärung zu dem Hadith:

"Die Muslime sind sich einig, dass es erlaubt ist, mit Ahl ad-Dhimma (Nichtmuslimen, die unter muslimischer Herrschaft leben) und anderen Kuffaar (außerhalb muslimischer Länder) zu handeln, solange der Gegenstand des Handels nicht haram ist, aber es ist für einen Muslim nicht erlaubt, Waffen oder Kriegsmaschinerien an diejenigen zu verkaufen, die Krieg gegen die Muslime führen, oder irgendetwas, womit sie in der Ausübung ihrer Religion unterstützt werden." [Quelle: Scharh Sahih Muslim, Band 11, Seite 14]

Ibn Battaal sagte:

"Mit den Kuffaar zu verhandeln und Handel zu treiben ist erlaubt, außer dass es nicht erlaubt ist, den Kriegsgegnern eine Ware zu verkaufen, die von ihnen gegen die Muslime verwendet werden kann."[Quelle: Fath al-Baari von Ibn Hajr al-Asqalaani, als Erklärung von Sahih al-Bukhari, Band 4, S. 478-479]


Frage:

Es gibt jetzt Aufrufe, amerikanische Produkte wie Pizza Hut und McDonald's usw. zu boykottieren. Sollen wir diesen Aufrufen folgen, und ist der Kauf- und Verkaufshandel mit Ungläubigen im Kriegsland erlaubt? Oder ist es nur erlaubt mit Vertragspartnern, Schutzbefohlenen und denen, die in unserem Land Sicherheit gewährt bekommen?

Antwort:

Es ist erlaubt, die halal Produkte unabhängig von ihrer Herkunft zu kaufen, es sei denn, der Herrscher ordnet aus einem Interesse für den Islam und die Muslime einen Boykott gegen etwas von ihnen an. Dies ist so, weil die Grundlage in Kauf und Verkauf die Erlaubnis ist, wie Allah sagt: وَأَحَلَّ اللَّهُ الْبَيْعَ﴿ "Und Allah hat den Handel erlaubt" [Surah al-Baqarah 2:275] Und der Prophet, sallahu alayhi wa salam, kaufte von den Juden.

Das Ständige Komitee für Fataawa (Scheich Abdulaziz Aal al-Schaykh, Schaykh Salih Al-Fawzan)
Quelle: Fataawa al-Lajna ad-Daaimah, Fatwa Nr. 21776, vom 25.12.1421 n.H. (20/03/2001 n.Chr.) (عربي)


3. Unterscheidung des kollektiven vom individuellen Boykott 

3.1 Kollektiver Boykott: Aufruf und Verpflichtung geht vom muslimischen Herrscher aus

Allah sagt:

﴿ الَّذِينَ إِن مَّكَّنَّاهُمْ فِي الْأَرْضِ أَقَامُوا الصَّلَاةَ وَآتَوُا الزَّكَاةَ وَأَمَرُوا بِالْمَعْرُوفِ وَنَهَوْا عَنِ الْمُنكَرِ ۗ وَلِلَّهِ عَاقِبَةُ الْأُمُورِ ‎﴾‏

"Diejenigen (muslimischen Herrscher), die, wenn Wir ihnen Macht im Lande geben, (sie) befehlen das Salah zu verrichten, die Zakat zu entrichten und Al-Ma'ruf (d.h. das Rechte, wie den islamischen Monotheismus und alles, was der Islam vorschreibt) zu gebieten und Al-Munkar (d.h. Verwerfliche wie dem Unglauben, Polytheismus und alles, was der Islam verboten hat) zu verbieten. Und Allah gehört das Ende der Angelegenheiten." [Surah Al-Hajj 22:41]


Frage:
Ehrenwerter Schaikh, in den heutigen Zeitungen wurde dazu aufgerufen, amerikanische Produkte zu boykottieren und vom Kauf sowie Verkauf dieser Produkte abzusehen. Es wurde behauptet, dass die ´Ulama diesen Aufruf unterstützen würden und gesagt hätten, dass dies für jeden Muslim verpflichtend wäre. Und dass das Kaufen von, auch nur einem dieser Produkte verboten (haram) sei und dass die Person, welche es tut, eine große Sünde (kabirah) begangen hat, und dass sie diesen Leuten (den Amerikanern) und den Juden in ihrem Kampf gegen die Muslime geholfen hätten.

Deshalb hoffe ich, dass sie, eure Eminenz, diese Sache erläutern können, denn es ist wichtig. Und wird eine Person, die dies tut (amerikanische Produkte boykottiert), dafür von Allah belohnt?

Antwort:

Erstens: Ich bitte um eine Kopie dieser Aussage, im Speziellen dieser Zeitung, die hier durch den Fragenden erwähnt wurde.

Zweitens: Dies ist nicht korrekt. Die Gelehrten haben keine Fatwa erlassen, die amerikanische Produkte für haram erklärt. Amerikanische Produkte werden weiterhin in den Märkten der Muslime importiert und verkauft. Und die Produkte, welche aus Amerika kommen, sind immer noch erhältlich. Es gibt kein religiöses Urteil, das (etwas) dagegen spricht.

Das Abbrechen von Beziehungen und das Boykottieren wird nicht ausgeübt, bis ein solches Gebot von der muslimischen Führung erlassen wird. Wenn die Führung es als notwendig ansieht, eines der Länder, unter den zahlreichen Staaten, zu boykottieren, so ist es verpflichtend, diesen Staat zu boykottieren.

Wie auch immer, was die Personen angeht, die dies tun wollen, oder sogar ein religiöses Gebot erlassen, dass dies haram sei, so ist es ein Gebot, das Allah nicht erlassen hat. Es ist nicht erlaubt, so etwas zu tun (d.h. etwas für haram zu erklären, was weder Allah noch sein Gesandter verboten haben). 

Schaikh Salih al-Fawzaan
Quelle: Aus einer Audioaufnahme des Schaikhes (عربي)

Anmerkung:

Die Frage des Boykotts von Waren von Nicht-Muslimen, die sich an Aggressionen, Spott und dergleichen beteiligen, wurde von den Gelehrten erörtert, und im Großen und Ganzen werden Boykotte von den (muslimischen) Herrschern angekündigt, organisiert und koordiniert, damit sie einen wirksamen Umfang haben, und es ist nicht Sache der Individuen, zu solchen Boykotten aufzurufen. Der Handel mit Juden, Christen und Polytheisten ist erlaubt, solange er sich nicht auf Dinge bezieht, die die Nicht-Muslime in ihrem Schaden und ihrer Aggression gegenüber den Muslimen unterstützen, und diese Zulässigkeit gilt sogar während des Krieges.

Quelle: Ustaadh Abu Iyaad Amjad Rafiq, Veröffentlicht auf abuiyyad.com, Samstag, 4. November 2023


3.2 Individueller Boykott der Einzelpersonen und Unternehmen

Frage:

Geehrter Shaykh, wenn wir wissen, dass der (muslimische) Herrscher uns nicht befohlen hat, dänische Produkte zu boykottieren, und er es uns gleichzeitig nicht verboten hat, habe ich dann das Recht, zur Verteidigung des Propheten (sallallahu alayhi wa sallam), ihre Waren zu boykottieren, wenn ich weiß, dass sie durch diesen Boykott einen Verlust erleiden werden?

Antwort:

Diese Frage verdient eine ausführliche (Antwort).

Erstens: Wenn der Herrscher (dem Volk) befiehlt, (die Produkte) eines bestimmten Landes zu boykottieren, dann ist es für jeden verpflichtend, sie zu boykottieren, denn das ist in ihrem Interesse, es wird dem Feind schaden und es ist Gehorsam gegenüber dem Herrscher.

(Zweitens:) Wenn der Herrscher jedoch nicht den Boykott (dieser Produkte) befohlen hat, dann liegt es im Ermessen des Einzelnen. Es liegt in seinem Ermessen, ob er sich für einen Boykott entscheidet oder nicht.

Schaikh Salih al-Fawzan
Quelle: Audioaufnahme, entnommen aus einer Sitzungsrunde mit dem Titel: Uṣūl Talaqqi al-‘Ilm wa Ḍawābiṭihi am 11ten Muḥarram 1427 (عربي)


Frage:

Verehrter Schaykh, im vergangenen Jahr kam es zu einer Aufruhr wegen der Karikaturen des Propheten (sallallahu alayhi wa sallam), die ihn verspotteten. Diese Angelegenheit rief weltweit bei den Muslimen Verärgerung hervor, und der Aufruf zum Boykott verbreitete sich. Nun ist diese Diskussion in Schweden erneut entbrannt, und vielleicht bezog sich die Frage des Bruders vorhin auf diese Angelegenheit, auf die neuen Karikaturen, die den Propheten (sallallahu alayhi wa sallam) verhöhnen, [und die nach einer] Orientierung für die Muslime fragen, die sich wegen der Beleidigung (des Propheten sallallahu alayhi wa sallam) verletzt fühlen.

Als Reaktion darauf rufen einige Leute dazu auf, alle Nationen oder Unternehmen, die daran beteiligt sind, zu boykottieren. Andere sind der Meinung, dass ein Boykott nur mit Zustimmung des Herrschers erfolgen darf.

Antwort:

Dies ist nicht korrekt.

Ja, Händler [Geschäftsleute] können die Einfuhr von verschiedenen Waren, Produkten, oder Autos zurückhalten, aufgrund von Empörung gegen einen Staat, in dem die [erhabene] Stellung des Propheten (sallallahu alayhi wa sallam) verletzt wird, ohne dass dafür eine Grenze gesetzt wird. So ist zum Beispiel Schweden kein großes Land, und es werden verschiedene Produkte hergestellt, auf die die Menschen verzichten können und stattdessen Produkte aus Pakistan, Malaysia oder anderen islamischen oder nicht-islamischen Ländern nutzen. Ja, es ist angemessen, dass Händler schützende Eifersucht für den Propheten der Rechtleitung (sallallahu alayhi wa sallam) haben.

Was die Behauptung angeht, dass dies Pressefreiheit und Meinungsfreiheit ist, dann sagen wir, dass dies auch die Freiheit unseres Handels ist (mit dem Handel zu treiben, mit dem wir wollen), unserer Geschäftsleute und unserer globalen Unternehmen in ihrer Weite; es ist ihr Recht, für den Gesandten Allahs (sallallahu alayhi wa sallam) und für seine Religion, die Religion des Islams, erzürnt zu sein.

Und es kann von ihnen nicht erwartet oder akzeptiert werden, dass sie Zeugen dieses Geschehens werden, ohne entschieden zu handeln, und wir warten mit Allahs Erlaubnis.

Schaykh Salih al-Luhaydan
Quelle: Audioaufnahme (عربي)

Anmerkung:

Wenn Einzelpersonen oder Unternehmen, die in ihrem Handel bestimmte Hersteller boykottieren möchten, aus schützender Eifersucht für den Islam und Empörung über die Verletzung der Heiligtümer der Religion, seinen Propheten und seine Symbole, dann dürfen sie dies tun, und gemäß der Fatwa von Scheich (Luhaidan) benötigen sie nicht die Zustimmung des Herrschers, da dies individuelle Handlungen sind, die aus schützender Eifersucht entstehen und keine Aufrufe und Ankündigungen von allgemeinen, kollektiven Boykotts sind. (...)

Was Muslime heutzutage tun, indem sie zu allgemeinen, kollektiven Boykotten aufrufen und diese der Gesamtheit der muslimischen Bevölkerung aufzwingen, bis hin zu Aufrufen zum Boykott von Franchise-Unternehmen bekannter Marken in muslimischen Ländern, deren Einnahmen tatsächlich muslimischen Eigentümern und Angestellten zugutekommen (und die von diesen Gewinnen möglicherweise für wohltätige Zwecke in der muslimischen Gemeinschaft spenden), basieren diese Arten von Aufrufen auf Unwissenheit und einem mangelnden Verständnis der Realitäten sowie des Konzepts von Nutzen und Schaden.

Quelle: Ustaadh Abu Iyaad Amjad Rafiq, Veröffentlicht auf abuiyyad.com, Samstag, 4. November 2023


Zusammenstellung und Übersetzung: Abu Davut Konyevi, Khawer Malik und Seyyid Abu Abdillah


Anmerkung: In diesem Artikel wurde der Begriff مقاطعة muqāṭaʿah als "Boykott" übersetzt, der jedoch auch Embargo und Sanktion umfasst, wenn es von einem Staat verhängt wird.