Frage:

Die Bedingungen und die Hinderungsgründe, einen Muslim als Ungläubigen zu bezeichnen; die Merkmale der Rafiditen (Schiah) und ob der Muslim für den Sieg der Ungläubigen über sie beten darf.
Gelten die Schiiten als Ungläubige? Und darf man Allah um den Sieg der Ungläubigen über sie bitten?

Antwort:

Der Unglaube (kufr) ist ein schariarechtliches Urteil, das auf Allah und seinen Gesandten (sallAllahu alayhi wa sallam) zurückgeführt werden muss. Was also die Schrift und die Sunnah nicht als kufr bezeichnen, das ist auch kein kufr. Niemand darf einen anderen als Ungläubigen bezeichnen und auch von niemandem als solcher bezeichnet werden, bis der Beweis aus Schrift und Sunnah für dessen Unglauben erbracht ist. Genauso wie es bekannt ist, dass niemand erlauben darf, was Allah verboten und niemand verbieten, was Allah erlaubt hat, oder zur Pflicht machen, was Allah weder in der Schrift noch in der Sunnah zur Pflicht gemacht hat, so darf auch niemand einen anderen zum Ungläubigen machen, den nicht Allah in Seiner Schrift oder in der Sunnah als Ungläubigen bezeichnet hat.

Damit man einen Menschen als Ungläubigen bezeichnen kann, sind vier Voraussetzungen erforderlich:

  1. Die Gewissheit, dass eine Aussage, Tat oder Unterlassung nach Schrift und Sunnah kufr ist.
  2. Die Gewissheit, dass derjenige etwas derartiges begangen hat.
  3. Es muss ihm der Beweis erbracht worden sein.
  4. Das Fehlen eines Hinderungsgrundes für seine Bezeichnung als Ungläubigen.

Wenn also nicht sicher ist, dass eine Aussage, Tat oder Unterlassung nach Schrift und Sunnah kufr ist, so ist es niemandem erlaubt, einen anderen als Ungläubigen zu verurteilen. Denn das zählt zu dem „Tatbestand“, eine Aussage über Allah zu treffen ohne das entsprechende Wissen zu haben, wie Allah sagt:
„Sprich: Mein Herr hat nur die abscheulichen Handlungen verboten, was davon sichtbar ist oder verborgen, ferner die Sünde, und in unberechtigter Weise gewalttätig zu sein, und, dass ihr Allah andere Götter beigesellt, wozu Er keine Vollmacht herabgesandt hat, und dass ihr gegen Allah etwas aussagt, wovon ihr kein Wissen habt.“ (al-a’raf: 33) Ebenso wie: „Und geh nicht einer Sache nach, von der du kein Wissen hast. Wahrlich, das Gehör, das Sehen und das Herz, für all das wird (dereinst) Rechenschaft verlangt.“ (al-isra’: 36)

Wenn nicht sicher ist, dass derjenige etwas derartiges getan hat, so darf er nicht anhand einer rein äußerlichen Vermutung verurteilt werden, weil Allah sagt: „Und geh nicht einer Sache nach, von der du kein Wissen hast“, und weil dies unrechtmäßig das Töten eines Unschuldigen erlauben würde.

Sowohl bei al-Bukhari als auch bei Muslim wurde von Abdullah Ibn Omar (radiyAllahu anh) überliefert, dass der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) sagte: „Wer auch immer zu seinem Bruder ‚du Ungläubiger’ sagt, so trifft es einen von beiden. Entweder es ist so, wie er sagte, oder aber es fällt auf ihn zurück.“ (Wiedergegeben in der Version von Muslim.)

Und Abu Dharr (radiyAllahu anh) hörte den Gesandten (sallAllahu alayhi wa sallam) sagen: „Kein Mann beschuldigt einen anderen des Frevels oder des Unglaubens, ohne dass es auf ihn zurückfällt, wenn der Beschuldigte frei davon ist.“ (Überliefert von al-Bukhari, bei Muslim in gleicher Bedeutung.)

Und wenn ihm niemand den Beweis erbracht hat, so gilt er nicht als Ungläubiger, nach den Worten Allahs:
„Und dieser Koran ist mir (als Offenbarung) eingegeben worden, damit ich euch, und wem er (sonst noch) zu Ohren kommt, durch ihn warne“ (al-an’am: 19) sowie „Und dein Herr hätte nie Städte zugrunde gehen lassen, ohne vorher in ihrer Mitte einen Gesandten auftreten zu lassen, der ihnen Unsere Verse verliest. Und Wir hätten nie die Dörfer zugrunde gehen lassen, wenn ihre Bewohner nicht gefrevelt hätten.“ (al-qasas: 59) Und Seine Worte: „Wir haben dir Offenbarungen eingegeben, wie früher dem Noah und den Propheten nach ihm“ bis hin zu: „Gesandte (die) als Verkünder froher Botschaft und als Warner (kamen), damit die Menschen, nachdem sie aufgetreten waren, keinen Beweisgrund gegen Allah haben sollten (indem sie behaupten könnten, von nichts zu wissen). Und Allah ist Allmächtig und Allweise.“ (an-nisa’: 163-165) Und seine Worte: „und wir hätten nie eine Strafe verhängt, ohne vorher einen Gesandten geschickt zu haben.“ (al-isra’: 15)

Und im „Sahih“ von Muslim finden wir eine Überlieferung von Abu Hurayrah (radiyAllahu anh), dass der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) sagte: „Bei Dem, in Dessen Hand die Seele Muhammads ist, jeder dieser Gemeinschaft (die Gemeinschaft, in der der Islam verkündet wurde), der von mir hört - ob Jude oder Christ - und dann stirbt, ohne an meine Botschaft zu glauben, gehört zu den Hölleninsassen.“

Doch wenn jemand, dem man nicht den Beweis erbracht hat, nicht den Islam bekennt, wird er im Diesseits nicht wie ein Muslim behandelt, und was sein Jenseits betrifft, so liegt dies in Allahs Hand.

Wenn diese drei Bedingungen zutreffen – die Gewissheit, dass eine Aussage, Tat oder Unterlassung gemäß Schrift und Sunnah Unglaube ist, dass er etwas derartiges getan hat und dass man ihm auch den Beweis dafür erbracht hat, es aber einen Hinderungsgrund dafür gibt, ihn als Ungläubigen zu bezeichnen, so wird er aus diesem Grund nicht als Ungläubiger bezeichnet.

Zu diesen Hinderungsgründen zählen: der Zwang, denn wenn er zum Unglauben gezwungen wird, er mit seiner Zunge ungläubig, sein Herz aber tiefgläubig ist, dann gilt er nicht als Ungläubiger, weil der Zwang einen Hinderungsgrund für seine Bezeichnung als Ungläubigen darstellt. Allah sagt: „Diejenigen, die nicht an Allah glauben, nachdem sie gläubig waren – außer wenn einer gezwungen wird, während sein Herz im Glauben Ruhe gefunden hat – nein, diejenigen, die frei und ungezwungen dem Unglauben in sich Raum geben, über die kommt Allahs Zorn, und sie haben (dereinst) eine gewaltige Strafe zu erwarten.“ (an-nahl: 106)
Ein weiterer Hinderungsgrund ist, dass jemand seines klaren Verstandes beraubt ist und nicht weiß, was er sagt, vor lauter Freude, Traurigkeit, Angst o. ä. nach den Worten Allahs: „Es ist keine Sünde für euch, wenn ihr etwas versehentlich tut, sondern nur, wenn ihr es vorsätzlich tut. Allah ist barmherzig und bereit zu vergeben.“ (al-ahzab: 5)

Im „Sahih“ von Muslim wird uns von Anas (radiyAllahu anh) überliefert, dass der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) sagte: „Allah freut sich mehr über die reuige Umkehr seines Dieners, als derjenige von euch, der auf seiner Kamelin in der Wüste unterwegs ist und sie ihm wegläuft, wobei sie seinen gesamten Proviant mitnimmt, er sich verzweifelt im Schatten eines Baumes niederlegt, und während er so verzweifelt ist, sie plötzlich bei sich stehen sieht, der dann ihre Zügel ergreift und vor lauter Freude ausruft: ‚Mein Allah, du bist mein Diener und ich bin dein Herr’, und sich vor lauter Freude verspricht.“

Dieser Mann hat vor lauter Freude einen Fehler begangen, der ihn aus dem Islam ausschließen würde, doch war er in dem Moment vor lauter Freude so außer sich, dass er nicht mehr wusste, was er sagt. Seine Absicht war, Allah zu preisen, doch vor lauter Freude hat er etwas gesagt, dass, wenn er es bewusst gesagte hätte, ihn zu einem Ungläubigen gemacht hätte. Man muss also sehr vorsichtig damit sein, eine bestimmte Gruppierung oder Person als ungläubig zu bezeichnen, bis man sicher ist, dass die dazu notwendigen Bedingungen zutreffen und es keinen Hinderungsgrund gibt.

Dies muss deutlich sein, wenn wir uns nun den Schiiten zuwenden. Die Schia ist in viele Gruppen gespalten: As-Safarayni erwähnt in der Erklärung seiner „Aqida“, dass es 22 Gruppen gibt, und daher gelten für sie auch unterschiedliche Urteile, je nach ihrer Entfernung zur Sunnah. Je weiter man sich von der Sunnah entfernt, desto näher ist man dem Irrtum. Zu ihren Gruppierungen gehören die Rafiditen, die sich dem vierten der rechtgeleiteten Kalifen Ali Ibn Abi Talib (radiyAllahu anh) in einer extremen Weise anschlossen, die Ali Ibn Abi Talib selbst nicht gefiel und auch keinem anderen der Imame der Rechtleitung. Und sie beschimpften die anderen Kalifen in einer extremen Weise, und besonders Abu Bakr und Omar (radiyAllahu anh), und dichteten ihnen Dinge an, die keine andere Gruppierung der islamischen Gemeinschaft (ummah) jemals über sie gesagt hätte. Der Scheich des Islam Ibn Taymiya (Allah sei ihm gnädig) sagt in seinem Werk „majmu’ al-fatawa“ (3/ 653, zusammengestellt von Ibn Qasim):

„Zu den Grundsätzen der Rafiditen gehört es, dass sie behaupten, der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) habe Ali unmissverständlich als Kalifen eingesetzt und dass Ali ein unfehlbarer Imam sei, und dass, wer ihm widerspricht, ein Ungläubiger sei, und dass die Muhajirun (Auswanderer) und die Ansar (Die gläubigen Medinenser, die die Auswanderer bei sich aufgenommen haben) diese Anordnung (die Ali zum Kalifen gemacht hätte) versteckt und nicht an den unfehlbaren Imam geglaubt hätten und ihrer Bequemlichkeit gefolgt seien, dass sie die Religion abgeändert und die Scharia modifiziert hätten und ungerecht gewesen seien und Übertretungen begangen hätten und dass außer einigen wenigen Dutzenden alle ungläubig gewesen seien. Weiterhin sagen sie, dass Abu Bakr und Omar u.a. immer noch Heuchler gewesen seien, bisweilen sagen sie, dass sie vielmehr geglaubt hätten und dann ungläubig geworden seien. Die meisten von ihnen erklären diejenigen, die sich ihren Behauptungen widersetzen, als Ungläubige und sich selbst als die Gläubigen. Aus ihnen gingen ketzerische und heuchlerische Gruppierungen hervor, wie z. B. die Karmaten (Qaramata), die Batiniya u.ä.“ (Vgl. auch a. a. O. 4/ 824-924)

Und er sagt in seinem wertvollen Werk „iqtida’ as-sirat al-mustaqim“, 159:

„Die Tatsache, Allah andere Götzen beizugesellen (schirk) und die anderen Neueinführungen sind auf Lügen und Erdachtem aufgebaut, und daher ist man, je weiter man sich von dem Glauben an die Einheit Allahs (tauhid) und der Sunnah entfernt, dem schirk, den ketzerischen Neueinführungen und Erfindungen umso näher. Wie z. B. die Rafiditen, die die verlogenste aller der Strömungen darstellen, die nur den eigenen Neigungen folgen und auch die, die den schlimmsten schirk betreiben. Es gibt unter den Leuten, die nur ihren Neigungen folgen, keine verlogeneren als sie, und auch niemanden, der weiter von dem Einheitsglauben entfernt ist als sie, ja sie zerstören sogar die Moscheen Allahs, wo Seines Namens gedacht wird und verhindern die Gemeinschaftsgebete und die Freitagspredigten. Sie machen aus Gräbern Wallfahrtsorte, wo die Menschen hinpilgern, um die Toten zu ehren, was Allah und Sein Gesandter (sallAllahu alayhi wa sallam) verboten haben.“

Siehe auch, was Muhibb ad-Din al-Khatib in seinem Brief „al-khutut al-arida“, übernommen aus dem Buch „mafatih al-jinan“, schreibt, wo er ein Bittgebet von ihnen wiedergibt: „Allah segne Muhammad und Seine Angehörigen und verfluche die beiden Idole der Quraysch, ihre beiden Götzen und Götter, sowie ihre beiden Töchter“, und er sagt, dass sie mit Götzen und Göttern Abu Bakr und Omar, und mit ihren beiden Töchtern die Mütter der Gläubigen Aischa und Hafsa (radiyAllahu anh) meinen.

Wer in historischen Büchern liest, der weiß, dass die Rafiditen am Sturz Bagdads und dem Ende des Kalifats maßgeblich beteiligt waren, indem sie den Tataren das Eindringen erleichterten, und die Tataren töteten viele Leute und Gelehrte. Der Scheich des Islam Ibn Taymiya schreibt in seinem Buch „minhaj as-sunnah“: „Sie waren diejenigen, die danach strebten, die Tataren nach Bagdad zu bringen, der Hauptstadt des Kalifats, wo die Ungläubigen dann unzählige Muslime töteten, von Banu Haschim u. a. – 1.870.000 und mehr sowie sie den abbasidischen Kalifen töteten und die haschimitischen Frauen und Kinder schändeten.“

Zu den Glaubensinhalten der Rafiditen gehört die sogenannte „taqiya“, was bedeutet, dass sie das Gegenteil von dem nach außen kehren, was sie innerlich bewegt, und es besteht wohl kein Zweifel, dass dies eine Form der Heuchelei ist, mit der sie täuschen, wer sich täuschen lässt. Die Heuchler sind es aber, die dem Islam mehr Schaden zufügen, als die offensichtlich Ungläubigen, und deswegen hat auch Allah der Erhabene eine ganze Surah über sie geoffenbart, die der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) zum Freitagsgebet zu lesen pflegte, um vor den Heuchlern in der größten wöchentlichen Versammlung zu warnen. Allah sagt hier über die Heuchler:
„Sie sind der (wahre) Feind, also sei vor ihnen auf der Hut“ (al-munafiqun: 4)

Was nun die Frage betrifft, ob der Muslim Allah um den Sieg der Ungläubigen über sie bitten darf, so lautet die Antwort: Das Beste ist es, Allah den Erhabenen darum zu bitten, die Ungläubigen im Stich zu lassen und den wahren Gläubigen, die mit Herz und Zunge sagen „Herr, vergib uns und unseren Brüdern, die uns im Glauben vorangegangen sind und lass nicht zu, dass wir in unserem Innern Groll gegen die, die glauben, hegen. Herr, Du bist mitleidig und barmherzig“ (al-haschr: 10), zum Sieg zu verhelfen. Denjenigen, die die Gefährten des Gesandten (sallAllahu alayhi wa sallam) zu Freunden nehmen, und jedem von ihnen seine verdiente Stellung zukommen lassen, ohne dabei zu übertreiben. Wir bitten Allah den Erhabenen, dass Er die Worte der Gläubigen zum Recht zusammenfügt und sie über ihre Feinde siegen lässt.

Schaykh Muhammad ibn al-Uthaymin, rahimahullah

Quelle: الأقليات المسلمة: فتوى حول المسلمين الذين يعيشون كأقليات - Muslimische Minderheiten: Fatawa über die Muslime, die als Minderheiten leben, Frage Nr. 13.