Frage:
Können wir Leute, die Bid'a ([religiöse] Erneuerungen) begehen, als Muslime bezeichnen?

Antwort:
Alles Lob gebührt Allah.

Bid'a – dies muss man in drei Themen splittern:
- Definition von Bid'a
- Kategorien in der Bid'a
- Urteil über jemanden der Bid'a macht – macht es ihn zum Kafir oder nicht?


1.    Definition von Bid'a

Schaikh Ibn Uthaymin (rahimahullah) sagt:

In der Scharia, definiert es (Bid'a) sich als: ‚Anbetung Allahs mit Mitteln, welche Er nicht befohlen hat.‘
Wenn man möchte, kann man sagen: ‚Anbetung Allahs mit Mitteln, die der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) oder die rechtschaffenen Kalifen (Khulafah ar-Raschidun) nicht wählten.‘

Die erste Interpretation gründet sich auf die Ayah: „Haben sie Nebengötter, die ihnen eine Glaubenslehre vorgeschrieben haben, die Allah nicht verordnet hat?“ [42:21]

Die zweite Definition beruht auf dem folgenden Hadith des Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam), der sagte: „Ich befehle euch, an meiner Sunnah und dem Tariqat (dem Weg) meiner rechtschaffenen Kalifen festzuhalten. Haltet daran mit euren Backenzähnen fest und schützt euch vor neu erfundenen Angelegenheiten.“

Jeder, der Allah mit einem Mittel anbetet, das Allah nicht vorgeschrieben hat oder das nicht mit dem Weg des Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) oder dem, der rechtschaffenen Kalifen im Einklang ist, ist ein Neuerer - sei die erneuerte Anbetung im Zusammenhang mit den Namen und Attributen Allahs oder mit Seinen Regeln und Gesetzen.

Was die üblichen Dinge in Bezug auf Gewohnheiten und Sitten anbelangt, diese werden nicht Bid'a im islamischen Sinne genannt, obwohl sie im sprachlichen Sinne ebenfalls zum Begriff Bid'a zählen. Aber es sind im religiösen Sinne keine Bid'as und sie gehören nicht zu den Dingen, vor denen der Prophet gewarnt hat. Und es gibt nichts im Islam namens „Bid'a Hasanah“ (gute Neuerung).

[Madjmu Fataawa Ibn Uthaymin, Band 2, S. 291]


2.    Kategorien in der Bid'a

Bid'a muss man in zwei Kategorien splittern:
A: Bid'a, die Kufr (Unglauben) beinhaltet
B: Bid'a, die keinen Kufr beinhaltet

Schaikh Hafiz al-Hakami (rahimahullah) sagt: „Die Bid'a, die Kufr beinhaltet, ist die, wenn jemand eine Angelegenheit der Religion leugnet, über die Konsens der Gelehrten besteht, die (Angelegenheiten die) bekannt sind, für die kein Muslim eine Entschuldigung hat wenn er sie nicht kennt, wie:
-    das leugnen einer Verpflichtung,
-    etwas verpflichtend machen, was nicht verpflichtend ist,
-    ein Haram (Verbotenes) als halal (erlaubt) bezeichnen oder Halal als haram bezeichnen
-    oder an einer (eigenen)Vorstellung über Allah, Seinen Gesandten und Seine Bücher glauben, obwohl sie weit davon entfernt sind, sei es durch zustimmen oder leugnen – weil man dadurch am Quran und der Gültigkeit der Botschaft mit der Allah Seinen Gesandten (sallAllahu alayhi wa sallam) beauftragte, zweifeln würde.

Beispiel dafür beinhaltet die Bid'a der Djahamiyyah, sie leugneten die Attribute Allahs; oder sie hatten die Vorstellung, dass der Quran erschaffen sei, oder die Vorstellung, dass einige der Attribute Allahs erschaffen seien.

Oder die Bid'a der Qadariyyah, sie leugneten das Wissen und die Taten Allahs. Oder die Bid'a der Mudjassimah, sie verglichen Allah mit Seiner Schöpfung ... usw.

Die 2. Kategorie ist die Bid'a, die keinen Kufr beinhaltet. Sie definiert sich dadurch, dass sie den Quran und die Botschaft, mit der Allah Seinen Gesandten sandte, nicht ablehnt.

Beispiel dafür sind die Marwaani Bid'a's (nach dem Kalifen Marwan benannt, der sie einführte) – diese Bid'a's wurden von den größten Sahabah abgelehnt, jedoch hielten sie weder diejenigen, die sie verübten, für Kafirun (Ungläubige), noch lehnten sie es ab, Bayah (Treueid) zu leisten. Zu den Bid'a's gehören: das Gebet auf das Ende der vorgesehenen Zeit zu verlegen, ´Id-Khutbah vor dem ´Id-Gebet zu machen, Djumah-Khutbah im Sitzen zu halten usw.

[Ma' aaridj al-Quluul, 2/503-504]


3.    Urteil über jemanden der Bid'a macht – macht es ihn zum Kafir oder nicht?

Die Antwort hängt davon ab, ob die Bid'a Kufr beinhaltet. Wenn es so ist, dann gehört die Person zu einer der folgenden zwei Kategorien:

Entweder ist es bekannt dass die Absicht dieser Person die ist, dass er die Fundamente der Religion zerstören will und die Muslime zum Zweifeln bringen will. Diese Person ist definitiv ein Kafir, er ist ein Fremder für den Islam und ein Feind des Glaubens.
Oder jemand der getäuscht und konfus ist; wenn es so ist, kann man ihn nicht als Kafir bezeichnen, bis der Beweis fair und ehrlich gegen ihn erbracht wurde.

Wenn die Bid'a keinen Kufr beinhaltet, sollte man ihn nicht als Kafir bezeichnen. Er ist weiterhin ein Muslim, aber er begeht eine große Sünde.


Wenn man fragt, wie soll man mit jemanden umgehen der Bid'a macht?

Schaikh Ibn Uthaymin sagt: „In beiden Fällen sollten wir diese Leute – die behaupten, dass sie Muslime seien, aber Bid'a machen, die entweder Kufr beinhaltet oder nicht – zur Wahrheit rufen, indem man ihnen die Wahrheit klar macht, ohne dabei feindselig oder verurteilend zu wirken.
Aber wenn wir merken, dass sie zu arrogant sind um die Wahrheit anzunehmen, so sagt Allah: „Und schmäht nicht die, welche sie statt Allah anrufen, sonst würden sie aus Groll Allah schmähen ohne Wissen.“ [6:108]

Wenn wir merken, dass sie engstirnig und arrogant sind, dann machen wir ihre Falschheit offen deutlich, denn ihre Falschheit offen zu zeigen, wird in diesem Fall zur Verpflichtung für uns.

Wenn es um Boykott geht, so hängt es von ihrer Bid'a ab, wenn ihre Bid'a Kufr beinhaltet, müssen wir sie boykottieren. Wenn es weniger ist, muss man die Situation berücksichtigen. Wenn man mit einem Boykott erreichen würde, dass die Person sich ändert, dann tun wir es; wenn man jedoch nichts dadurch erreicht oder wenn die Person dadurch noch schlimmer und arroganter wird, dann sollte man es nicht tun, denn wenn man nichts erreicht, so sollte man unterlassen. Außerdem ist es im Prinzip in diesem Fall haram, denn der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) sagt: „Es ist nicht erlaubt, dass ein Mann seinen Bruder für mehr als drei Tage meidet.“

[Madjmu Fataawa Ibn Uthaymin - Band 2, S. 293]