Die erste Ansicht ist die, dass es verpflichtend (waajib) ist. Dies ist die Ansicht der Hanafis und manche von ihnen sahen es als individuelle Verpflichtung {وجوبٌ عينيٌّ} an, während andere sagten, dass es eine kommunale Verpflichtung {وجوبٌ كفائيٌّ} ist. Sie zitierten als Beweis den Vers, in welchem Allah sagt:

{وَإِذَا قُرِئَ الْقُرْآنُ فَاسْتَمِعُواْ لَهُ وَأَنصِتُواْ لَعَلَّكُمْ تُرْحَمُونَ}

„Und wenn der Quran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!” (Surah al-A’raaf 7:204)

In ‚Al-Mawsu’ah al-Fiqhiyyah‘ (4/86) heißt es: „Das Lauschen der Rezitation des edlen Qur’aan außerhalb des rituellen Gebets ist verpflichtend (waajib), wenn es keine gesetzlich legitime Entschuldigung dafür gibt, nicht zuzuhören.

Die Hanafis unterschieden sich in Bezug auf diese Verpflichtung: Ist es eine individuelle Verpflichtung oder eine kommunale Verpflichtung? Ibn ‘Aabidiin sagte: ‚Das grundlegende Prinzip ist, dass das Zuhören des Qur’aan eine kommunale Verpflichtung {فرض كفايةٍ} ist, weil es das Herstellen seines Rechts ist, zuzuhören, statt ignoriert zu werden. Und dies wird erreicht, wenn manche aufmerksam zuhören, so wie es der Fall mit dem Beantworten des Salaam (Friedensgrußes) ist. 
Al-Hamawii berichtet, dass sein Lehrer, der prominente Richter Yahyaa, welcher auch als Minqaarizaadah bekannt ist, sagte, dass das Zuhören des Qur’aan eine individuelle Verpflichtung {فرضُ عينٍ} ist. 
Ja, der Vers in Surah Al-A’raaf, „Und wenn der Quran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!” wurde offenbart, um die Erlaubnis, während des Gebets zu sprechen, zu abrogieren, aber, was zählt, ist die allgemeine Bedeutung der Worte, nicht der spezielle Grund für seine Offenbarung; und die allgemeine Bedeutung beinhaltet sowohl die Rezitation des Qur’aan, als auch während des rituellen Gebets und andere.‘“

Die zweite Ansicht besagt, dass es mustahabb ist und empfohlen {الندب}. Sie interpretierten den Vers in Surah Al-A’raaf dahingehend, dass er sich nur auf die Rezitation im rituellen Gebet bezieht. Außerhalb des Gebets ist es empfohlen und mustahabb. Dies ist die Ansicht der Mehrheit der Gelehrten.

Ibn Kathiir sagt in ‚Tafsiir al-Qur’aan il-‘Athiim‘ (2/372):  „‘Ali ibn Abi Talhah überliefert von Ibn ‘Abbaas bezüglich des Verses: “Und wenn der Quran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!“: D.h.: im rituellen Pflichtgebet {الصلاة المفروضة}.

Ähnliches wurde von ‘Abd-Allaah ibn al-Mughaffal überliefert. Ibn Jariir sagte: ‚Humayd ibn Mas’adah erzählte uns, Bishr ibn al-Mufaddal erzählte, al-Jariiri erzählte uns, dass Talhah ibn ‘Ubayd-Allaah ibn Kurayz sagte:

{رأيت عبيد بن عمير وعطاء بن أبي رباح يتحدثان والقاص يقص فقلت: ألا تستمعان إلى الذكر وتستوجبان الموعود؟ قال: فنظرا إلي ثم أقبلا على حديثهما. قال: فأعدت، فنظرا إلي وأقبلا على حديثهما. قال: فأعدت الثالثة، قال: فنظرا إلي فقالا: إنما ذلك في الصلاة: وَإِذَا قُرِئَ الْقُرْآنُ فَاسْتَمِعُواْ لَهُ وَأَنصِتُواْ لَعَلَّكُمْ تُرْحَمُونَ!}

‚Ich sah ‘Ubayd ibn ‘Umayr und ‘Ata’ ibn Abi Rabaah wie sie sich unterhielten, während der Geschichtenerzähler redete, und ich sagte: ‚Warum hörst du dem Ermahner nicht zu, damit du nicht das Objekt der Warnung wirst? Sie schauten mich an, dann fuhren sie fort mit ihrer Unterhaltung. Ich widerholte das und sie schauten mich an und fuhren dann fort mit ihrer Unterhaltung. Ich sagte es ein drittes Mal und sie schauten mich an und sagten: ‚Dies ist nur im Gebet: „Und wenn der Quran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!” (Surah al-A’raaf 7:204).

So wurde es von mehr als einer Person von Mujaahid überliefert. ‘Abd al-Razzaaq überlieferte von al-Thawri von Layth dass Mujaahid sagte: Es ist nichts daran verkehrt zu sprechen, wenn ein Mann den Qur’aan außerhalb des Gebets rezitiert.

Ähnliches wurde von Sa’iid ibn Jubayr, Ad-Dahhaak, Ibrahiim an-Nakha’i, Qataadah, Ash-Sha’bi, as-Saddi und ‘Abdur-Rahmaan ibn Zayd ibn Aslam angegeben, nämlich dass mit dem Vers nur das Gebet gemeint ist. 
Dies war die Ansicht von Ibn Jariir, nämlich dass damit gemeint ist, dass man aufmerksam im Gebet und während der Khutbah lauscht, wie es in den Ahadith heißt, welche dazu anhalten aufmerksam hinter dem Imam und während der Khutbah zuzuhören.“


 

Frage:
Es gab eine Gruppe von Leuten, die mit dem Auto unterwegs waren, während einer von ihnen den Qur’aan vom Band anschaltete; sollten sie dann alle diesem Band lauschen und begeht jemand, der währenddessen spricht, eine Sünde?

Antwort:
Imam Ahmad (rahimahullah) sagte bezüglich diesem Vers: Dies bezieht sich auf das rituelle Gebet (As-Salaah). Er sagte: Sie stimmten darin überein, dass sich dies auf das Gebet bezieht. Darauf basierend verhält es sich demnach so, dass wenn ich neben einer Person stehe, die den Qur’aan laut rezitiert, während ich jedoch Tasbiih rezitiere und „Laa ilaaha illa-llaah“ sage, dann muss ich ihr nicht zuhören, weil sich dies nur auf das Gebet bezieht. 
Aber ich sage zu dem Bruder, welcher das Band angeschaltet hat: Schalte es nicht an, wenn die Menschen nicht zuhören, weil das Mindeste, das dazu gesagt werden kann ist, dass es wie diejenigen ist, von denen Allah sagte:

{ وَقَالَ الَّذِينَ كَفَرُوا لا تَسْمَعُوا لِهَذَا الْقُرْآنِ وَالْغَوْا فِيهِ لَعَلَّكُمْ تَغْلِبُون}

„Diejenigen, die ungläubig sind, sagen: ‚Hört nicht auf diesen Quran, und führt dazwischen unbedachte Reden, auf dass ihr siegen möget.‘" (Surah Fussilat 41:26)
Wenn du also siehst, dass deine Brüder nicht zuhören wollen, weil sie mit ihrer Unterhaltung beschäftigt sind, dann schalte das Band nicht an. Wenn du es anhören willst, dann gibt es kleine Kopfhörer, die du in deine Ohren stecken kannst, so dass du selber dem lauschen kannst.

 

Schaykh Ibn ‘Uthaymiin, rahimahullah

Liqaa’aat al-Baab il-Maftuh‘, Nr. 197/ Frage Nr. 26

 

Und Schaykh Ibn ‘Uthaymiin sagte: „Es ist nicht vom guten Benehmen, das Buch Allahs zu ignorieren, wenn es rezitiert wird, selbst dann nicht, wenn es vom Band abläuft.“ (Liqaa’aat al-Baab il-Maftuh, Nr. 146, Frage Nr. 9)


 

Frage:
Manchmal verbringe ich sehr viel Zeit in der Küche, um Essen für meinen Mann vorzubereiten, und dabei möchte ich gerne meine Zeit gut nutzen, weshalb ich der Rezitation des Qur’aan entweder vom Radio oder vom Band lausche. Ist diese meine Tat korrekt oder sollte ich dies nicht tun, weil Allah doch sagt: „Und wenn der Quran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!” (Surah al-A’raaf 7:204)

Antwort:
Es ist nichts daran verkehrt der Rezitation des Qur’aan vom Radio oder dem Band zu lauschen, während man arbeitet und dies geht nicht gegen die Worte „Und wenn der Quran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!”, weil das aufmerksame Zuhören in dem Maße verlangt wird, wie man dazu fähig ist, und derjenige, welcher das Band anschaltet, sollte dem Qur’aan so viel zuhören, wie er imstande ist zu tun.


Schaykh Saalih Al-Fawzaan, hafidhullaah

Al-Muntaqa fi Fataawa al-Fawzaan‘, 3. Frage, Nr. 437


Imam An-Nawawi sagte in ‚Al-Tabyaan fi Adaab Hamalat al-Qur’aan‘ (92): „Wir müssen folgendes aufmerksam beachten und es sollte bestätigt werden, dass der Qur’aan respektiert werden muss in Situationen, wo die Nachlässigen achtlos damit umgehen, wie wenn der Qur’aan in Versammlungen rezitiert wird, während sie dabei lachen, sich unterhalten oder reden; (dies sollte nicht getan werden), es sei denn in Fällen der Notwendigkeit. Denn wir müssen den Worten Allahs gehorchen: „Und wenn der Quran vorgetragen wird, dann hört ihm zu und horcht hin, auf dass ihr Erbarmen finden möget!” (Surah al-A’raaf 7:204) 
Und wir sollten dem Beispiel folgen, welches von Ibn Abi Dawud über Ibn ‘Umar (radiya-llahu anhu) berichtet wird, dass, wenn der Qur’aan rezitiert wurde, er nicht sprach, bis die Rezitation beendet war.“